Aus welcher Stadt stammt die nördlichste Flamenco-Sängerin der Welt? Es ist das finnische Oulu! Hier wurde Anna Murtola geboren, eine der Pionierinnen des finnischen Flamenco-Gesangs. Die 200.000-Einwohner-Stadt Oulu liegt etwa 5.000 Kilometer nördlich von Andalusien, wo der Flamenco einst entstand. Anna Murtola hat ihre eigene, starke Flamenco-Stimme gefunden und sich in den vergangenen Jahren zu eine der leidenschaftlichsten Vertreterinnen des Musikstils im hohen Norden etabliert. Die Musikerin ist Absolventin des Weltmusik-Studiengangs der renommierten Sibelius-Akademie in Helsinki. Mit „La Tierra Blanca“ (übersetzt: das weiße Land) legt sie ihr zweites Soloalbum vor. Murtolas Musik verbindet auf ungewöhnliche Weise den Flamenco mit nordischen Musiktraditionen und der modernen Klangwelt von Oulu.
„Ich nehme Impulse aus Oulu auf, also Geschichten, Gefühle und Erinnerungen an mein Leben. Die Albumsongs sind aus meiner Rückkehr zu meinen Wurzeln entstanden, und gleichzeitig aus den Geschichten derer, die vor mir da waren “, sagt Murtola zum Entstehungsprozess des Albums. Die Texte beziehen Inspirationen aus den skandinavischen Landschaften und der nordischen Lebensart, aber auch aus überlieferten finnischen Musiktraditionen. Der Flamenco verbindet sich auf überraschende Weise mit Finnland-Folk. Als Gastmusiker sind unter anderem die Kantele-Virtuosin Maija Kauhanen, der Gitarrist Joonas Widenius sowie der schwedische Flamenco-Gitarren-Spezialist Robi Svärd beteiligt.
Auf „La Tierra Blanca“ arbeitet Murtola auch mit Paavo Impiö zusammen, einem Soundkünstler aus Oulu. Impiö nimmt lokale Umgebungen auf und erschafft eine Klangwelt, die in Murtolas Musik einfließt. So finden sich auf dem Album traditionelle Flamenco-Elemente in völlig neuer Form wieder. „Zum Beispiel werden anstelle des traditionellen Klatschens das Geräusch von Birkenzweigen, das Knacken eines Astes oder die seltsamen Schläge einer Kirchenglocke in der Musik verwendet“, berichtet Murtola. Sie ist die erste Flamenco-Sängerin, die ein Album in Finnland aufgenommen hat.
„La Tierra Blanca“ überzeugt im Track „Nana/Tuutalaulu“ mit einem ungewöhnlichen Stilmix aus Elementen der spanischen Flamenco-Wiegenlied-Tradition und alten finnischen Wiegenlied-Texten. Im Song „Ańńikin Laulu” lässt sich die Musikerin von einem karelischen Text in der Tradition der Runenlieder inspirieren. Dieser stammt aus der Region, in der Murtolas Vorfahren einst lebten. „Die Musik in Ańńikin Laulu ist meine eigene Komposition in Zusammenarbeit mit der Kantele-Expertin Maija Kauhanen“, erläutert die Künstlerin.
Murtola erinnert uns daran, dass der Flamenco unter dem Einfluss verschiedener Kulturen entstand. Obwohl die Roma-Bevölkerung Andalusiens eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Flamencos spielt, wird dieser auch von spanischer Volksmusik sowie von indischen, arabischen und jüdischen Klangwelten beeinflusst. Die Musikerin war sich immer bewusst, dass sie spanische Flamenco-Sänger nicht kopieren kann und will. „Flamenco ist eine Sprache, aber Text und Inhalte stammen von mir“, betont sie. Beim Schreiben der Songtexte des Albums geht es ihr nicht nur darum, ihre persönlichen Erfahrungen zu verarbeiten, sondern auch das Leben der Menschen des Ortes und der Region hervorzuheben und sich in die Lage der Menschen zu versetzen.
Erscheinungsjahr: 2023
Katalognummer: NN164