Sähköpaimen

© Marko Rantanen

Eigenwillige Geschichten und seltsame Klänge aus der Twilight Zone

Archaik trifft auf Elektronik: Sähköpaimen, das finnische Trio um den Synthesizer-Spezialisten Eero Grundström, bürstet traditionelle Folkmusik aus Finnland, Karelien und der historischen Region Ingermanland rund um Sankt Petersburg gehörig gegen den Strich. Die Band bringt Gegensätzliches zusammen: Tradition trifft auf moderne Sounds, Organisches verschmilzt mit Elektrischem, Improvisation geht auf Kollisionskurs mit rhythmischen Beats. Übersetzt aus dem Finnischen bedeutet Sähköpaimen „elektrischer Hirte“ oder „elektrischer Zaun“. Trotz ihrer Unterschiede sind archaische und elektronische Musik Seelenverwandte: Sie teilen eine Vorliebe für Minimalismus und für die Kunst der ständig wechselnden Variationen. Ihre gemeinsame Lötstelle ist Sähköpaimen.
Das zweite Album „Hämära“ (übersetzt Dämmerung oder Zwielicht) lässt sich vom schattenhaften Moment zwischen Licht und Dunkel, Neuem und Altem inspirieren. Sähköpaimen erzählen eigenwillige Volksmärchen und erschaffen seltsame Sounds aus den Grenzgebieten der Dämmerung. Die Dämmerung (die in Finnland sehr lang ist!), spielt in dem nordischen Land eine wichtige Rolle: Familien und Freunde sitzen zusammen, um Geschichten und Lieder von einer Generation an die andere weiterzugeben. Um die mit der Dämmerung verbundene Tradition besser zu verstehen, haben Sähköpaimen in den Archiven der Finnischen Literaturgesellschaft gestöbert und sind insbesondere in der Sammlung „Suomen Kansan Vanhat Runot“ (Die alten Lieder des finnischen Volkes) fündig geworden, die auch karelische und ingrische Volksdichtungen enthält.
Auf „Hämärä“ ist im Song „Jyrinpäivä“ der Dorfchor Li Magnoutou dabei, dessen Mitglieder Franco-Provençal sprechen, eine italienische Minderheitensprach. Ihre piemontesischen Zaubersprüche, Viehrufe und traditionellen Lieder verschmelzen mit der Musik von Sähköpaimen und werden zu einer Brücke zwischen den verschiedenen Regionen Europas. Auch die Geräusche der lokalen Kühe und ihrer bimmelnden Glocken sind zu hören: Man kann sogar eine besonders muntere Kuh ausmachen, die das Aufnahmemikrofon ableckt! Die finnnische Roma-Sängerin Hilja Grönfors ist im Lied „Koivumetsä“ (Birkenwald) dabei: Karelischen Tanzmelodien und der Roma-Tradition begegnen sich im abendlichen Wald, wo sich Liebende heimlich treffen. Die Stimme der französisch-provenzalischen Folksängerin Gigi Ubaudi verwandelt den Song „Tuli Tuli Painajainen“ (Feuer, Feuer, Alptraum) vom wilden Hexensabbat in ein sanftes Wiegenlied.
Uralte Blasinstrumente wie Hirtenpfeifen, Holzhörner und die Klarinette Liru bringen eine ganz eigene Farbe in den Sound der Band. Die Musik, die von Hirten gespielt wurde, war früher jedem vertraut und gehörte zum Dorfleben. Mit dem Verschwinden dieser Kultur ist Hirtenmusik kaum noch zu hören. Die archaischen Klänge überzeugen auch heute noch durch ihre Ausdrucksstärke.
Die Beats und Loops von Sähköpaimen klingen irgendwie vertraut, aber dennoch fremd. Sie spielen mit der Vorstellung, wie elektronische Musik klingen würde, wenn sie nicht auf heutigen Sounds, sondern auf der karelischen Kantele- und Jouhikko-Tradition (einer Art Bogenharfe) basieren würde. Und was wäre passiert, wenn ein Laptop und ein Sequenzer bei einer Dorfhochzeit in der Region Suistamo im Jahr 1864 zum Einsatz gekommen wären?

Sähköpaimen besteht aus Eero Grundström an den Synthesizern, Amanda Kauranne ist für Vocals, Maultrommel und Looping verantwortlich, während Kirsi Ojala mit Blasinstrumenten und Maultrommel musiziert und singt. Die Bandmitglieder sind allesamt alle Absolventen der Volksmusikabteilung der renommierten Sibelius-Akademie in Helsinki spielen in verschiedenen finnischen Folk-Ensembles wie Sväng, Suistamon Sähkö, Wind on Wind, Tuultenpesä, Emmi Kuittinen & Ikuisen Ikävän Orkesteri.

Discografie

  • Hämärä

    Hämärä

    Erscheinungsjahr: 2023

    Katalognummer: NN173

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